Neuigkeiten Veröffentlicht am 30. November 2024

Eindrücke und Reflexionen nach der öffentlichen Veranstaltung: Wie geht es weiter in der österreichischen Personenbetreuung?

Ende November fand die öffentliche Veranstaltung „Das Unsichtbare sichtbar machen: Die 24-Stunden-Betreuung in Österreich“ in der Wiener Urania statt. Das stark besuchte Event markierte mit seinem vierstündigen Programm feierlich den Abschluss unseres Forschungsprojekts. Hier sind einige Eindrücke von der Veranstaltung sowie Reflexionen über mögliche weitere Schritte seitens unseres Projektteams:

1. Die Vorstellung der Umfrageergebnisse

Von Andreas Schadauer (FORBA) und Johanna Neuhauser (Institut für Soziologie, Universität Wien/FORBA) wurden die wichtigsten Ergebnisse präsentiert, die entlang der folgenden Hauptbereichen zusammengefasst und detailliert beschrieben wurden:

  • Belastungen und Ausbeutung am Arbeitsplatz
  • Gewalterfahrungen
  • Geringe Einkommen, unzureichende soziale Absicherung und Armutsgefährdung
  • Informationsdefizite vor Arbeitsantritt
  • Abhängigkeit von Vermittlungsagenturen
  • Nachholbedarf bei Behörden, Interessenvertretungen und der Kontrolle von Arbeitsbedingungen
  • Fehlende Zukunftsperspektiven

Fast 1.500 migrantische Personenbetreuer_innen, die in Österreich tätig sind, haben durch ihre Teilnahme an der online Umfrage ein ernüchterndes Bild der Personenbetreuung in Österreich vermittelt. Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Sollen Personenbetreuer_innen auch in Zukunft in österreichischen Haushalten tätig sein, besteht höchster Handlungsbedarf.

Die Umfrageergebnisse stehen sowohl in einer Kurz- als auch in einer Langfassung auf unserer Projektwebseite zur Verfügung: https://24h-unsichtbar.at/de/umfrageergebnisse/

2. Persönlicher Bericht einer Personenbetreuerin und Podiumsdiskussion mit Stakeholder_innen

Die Podiumsdiskussion wurde durch ein sehr informatives und berührendes Interview mit der slowakischen Personenbetreuerin Csilla V. eingeleitet. In dem von Moderatorin Anastasia Lopez geführten Gespräch erhielt das Publikum Einblicke in den Alltag der migrantischen Betreuerin, die grenzüberschreitende Pendelmigration sowie die konkreten Arbeitsbedingungen. Darüber hinaus thematisierte das Gespräch auch die Belastungen, die durch die Trennung von der eigenen Familie und dem sozialen Umfeld im Heimatland entstehen.

Hier Zitate der Personenbetreuerin Csilla V.:

„Die Herausforderung ist natürlich das Honorar, das ich nicht selber aushandeln kann. Die Tatsache ist, dass die Vermittlungsagentur das macht. Ich kann nur zustimmen oder nein sagen. Nach 20 Jahren Arbeit, hat sich mein Honorar um ein Viertel erhöht und das Honorar, das meine Vermittlungsagentur von der Familie und von mir gleichzeitig verlangt, hat sich in diesen Jahren mehr als verdoppelt.”

„Unsere Betreuungsbedürftige (aus unseren Heimatländern) bleiben natürlich ohne Betreuung. Die Personen, die sie betreuen könnten, sind ja weg. Die Heime, die diesen Bedarf erfüllen könnten, sind auch überfüllt. Ich habe jahrelang so gearbeitet: Ich bin nach Österreich gependelt, während meine Mutter schon pflegebedürftig war. Ich habe aus meinem eigenen Geld, also privat, jemanden bezahlt, der sich um sie gekümmert hat. Ich habe hier (in Österreich) Leute betreuut, damit andere Leute meine Mutter in der Slowakei betreuen.”

„Mein größter Wunsch für die Zukunft wäre, dass die Vermittlung nicht privaten, gewinnorientierten Firmen überlassen wird, sondern das sollte eine staatliche Aufgabe sein. In einer sozialen Spähre, gewinnorientierte Agenturen frei arbeiten zu lassen, kann ich einfach nicht kapieren. Das sollte staatliche Aufgabe sein – und dann könnten wir über viele weitere Änderungen reden.”

Die Veranstaltung wurde mit einer Podiumsdiskussion abgeschlossen, an der für die Branche relevante Stakeholder_innen teilnahmen. Wichtige Inputs zur fachlichen Diskussion wurden eingebracht von:

  • Silvia Rosoli, Leiterin der Abteilung „Gesundheitsberuferecht und Pflegepolitik“, Arbeiterkammer Wien
  • Katharina Meichenitsch, stellvertretende Sektionsleiterin und Leiterin der Gruppe „Pflegevorsorge“, Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
  • Andreas Herz, Obmann des Fachverbands „Personenberatung und Personenbetreuung“, Wirtschaftskammer Österreich
  • Christoph Lipinski, Fachexperte der Gewerkschaftsinitiative vidaflex, vida
  • Simona Durisova, Fachexpertin der IG24 – Interessengemeinschaft der 24h-Betreuer:innen
  • Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der IG pflegender Angehöriger

Wir danken den Stakeholder_innen ganz herzlich für die Teilnahme und für das Interesse an unserer Studie.

3. Wie geht es weiter?

Ein zentraler Punkt der Veranstaltung war die Identifizierung von Kriterien der Scheinselbstständigkeit im aktuellen Modell der Personenbetreuung in Österreich. Mögliche Lösungen – wie die Stärkung des Anstellungsmodells oder eine strengere Regulierung und staatliche Kontrolle des Selbstständigenmodells – blieben allerdings offen. Diese Themen müssen von der Politik, den staatlichen Institutionen und den Interessenvertretungen – auch unter Einbeziehung der Wissenschaft – weiter bearbeitet werden.

In de rLangfassung der Umfrageergebnisse wurden vom Projektteam bereits konkrete Handlungsempfehlungen formuliert, die als Grundlage für weitere systemische Verbesserungen dienen können.

Wir hoffen, dass diese Veranstaltung den Beginn einer längeren, konstruktiven Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten markiert, um die Arbeitsbedingungen für alle in der Personenbetreuung tätigen Betreuer_innen in Österreich nachhaltig zu verbessern und gerecht zu gestalten. Ein herzlichen Dank auch an alle Partner_innen und Fördergeber_innen, die das Projekt ermöglicht haben:

AK Digitalisierungsfonds

Institut für Soziologie, Universität Wien

CuraFAIR – Anlaufstelle für 24-Stunden-Betreuer_innen (Volkshilfe).